Sachwertverfahren - Immobilienbewertung verständlich erklärt

Vielleicht fragen Sie sich gelegentlich, was Ihre Immobilie eigentlich wert ist? Das können Sie aus purem Interesse und ohne konkrete Notwendigkeit tun. Denken Sie jedoch über einen Verkauf oder Teilverkauf nach, dann ist eine fundierte Ermittlung des Immobilienwerts von elementarer Bedeutung. Das gilt auch bei Scheidungsangelegenheiten oder Erbauseinandersetzungen. Doch wie kann der Immobilienwert überhaupt berechnet werden?

Es gibt in Deutschland drei anerkannte Verfahren dafür: Das Vergleichswert-, das Ertragswert- und das Sachwertverfahren. Sie werden je nach Art und Umfeld der Immobilie angewandt. Korrekt und fachkundig durchgeführt, liefern diese Verfahren jeweils ein präzises Ergebnis, dass sich zumeist deutlich von dem reinen Orientierungswert unterscheidet, den Sie erhalten, wenn Sie einen der kostenlosen Online-Immobilienwertrechner benutzen.

Das Sachwertverfahren: Das Wichtigste in Kürze

Das Sachwertverfahren gehört neben dem Vergleichswert- und dem Ertragswertverfahren zu den drei normierten Wertermittlungsverfahren für Immobilien.

Es gilt als das komplizierteste des Dreigespanns.

Mit dem Sachwertverfahren wird der Sachwert einer Immobilie ermittelt. Das ist der materielle Wert der Immobilie, der zumeist nicht (!) mit dem Verkehrs- oder Marktwert identisch ist.

Der Sachwert setzt sich zusammen aus dem Bodenwert und den Gebäudeherstellungskosten, abzüglich der Alterswertminderung, und ergänzt um einen Marktanpassungsfaktor.

Das Sachwertverfahren kommt bei selbstgenutzten Immobilien zum Einsatz, für die es keine oder zu wenige Vergleichsobjekte gibt, außerdem bei Denkmalschutzimmobilien, öffentlichen oder industriell genutzten Gebäuden. Es eignet sich ausdrücklich nicht für vermietete Immobilien.

Was genau ist das Sachwertverfahren?

Das Sachwertverfahren ist in den §§ 21 bis 23 der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) genau geregelt und beschäftigt sich, vereinfacht dargestellt, mit der Frage, welchen monetären Aufwand es aktuell erfordern würde, um die zu bewertende Immobilie heute exakt so wieder herzustellen. Landläufig wird zumeist auch vom sogenannten Wiederbeschaffungswert gesprochen. Es ergibt sich bereits aus diesem grundsätzlichen Ansatz, dass das Sachwertverfahren nur sehr marginal die Dynamik des Marktes in Form von Angebot und Nachfrage berücksichtigt.

Zur Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes werden die Herstellungskosten des Gebäudes und der Außenanlagen herangezogen und der Wert des Grundstücks addiert. Da es nun in den seltensten Fällen überhaupt möglich ist, die tatsächlichen Herstellungskosten zu eruieren, treten an deren Platz die sogenannten Regelherstellungskosten. Das sind normierte Kostenwerte, die für Immobilien in ähnlicher Bauweise und mit vergleichbarer Ausstattung üblich sind.

Sie beziehen sich jeweils auf einen Quadratmeter und berücksichtigen Faktoren wie Dach, Fenster, Außenwände, Fußboden und Heizung. Vom Ergebnis wird folgend ein Abschlag vorgenommen, der dem Wertverlust der Immobilie durch Alter und Abnutzung Rechnung trägt. Final wird der Saldo noch zumeist durch einen Marktanpassungsfaktor korrigiert, der (zumindest ansatzweise) die aktuellen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt mit einbezieht.

Gut zu wissen: Da der Sachwert im Grundsatz allein dem materiellen Wert der Bausubstanz entspricht, eignet sich das Sachwertverfahren kaum zur Ermittlung eines angemessenen Verkaufspreises, der immer auch die vorhandene Nachfrage am lokalen Markt im wörtlichen Sinn mit „einpreist“. Der Sachwert einer Immobilie ist nur in äußert seltenen Fällen identisch mit dem Verkehrswert.

Wann wird das Sachwertverfahren angewandt?

Immobilienexperten greifen bei der Wertermittlung einer Immobilie bevorzugt dann auf das Sachwertverfahren zurück, wenn es für das Vergleichswertverfahren – also den direkten Vergleich mit ähnlichen Objekten – zu wenige Daten gibt, oder wenn es sich nicht um ein Renditeobjekt handelt, bei dem der Ertrag maßgeblich für die Wertschätzung am Markt ist. Dieser wird mit dem Ertragswertverfahren errechnet. Das eine oder das andere Kriterium gilt für die folgenden Gebäude:

alleinstehende Immobilien in ländlichen Regionen,

selbstgenutzte Einfamilienhäuser mit besonderem Charakter, einzigartiger Ausstattung oder in ungewöhnlicher Bauart,

Denkmalschutzimmobilien,

öffentliche Gebäude ohne Renditeausrichtung (Kindergärten, Schulen),

industriell genutzte Gebäude (Lager- oder Produktionshallen),

Infrastrukturgebäude (Bahnhöfe).

Wie funktioniert die Immobilienbewertung nach dem Sachwertverfahren?

Das Sachwertverfahren gilt, wie erwähnt, als recht komplex und erfordert ein hohes Maß an Sachverstand. Die Berechnung erfolgt in mehreren Schritten.

Schritt 1: Berechnung des Bodenwertes

In einer ersten „Etappe“ ermittelt der Sachverständige den Bodenwert. Das ist der Wert des Grund und Bodens, ohne die darauf befindlichen Gebäude. Wichtigster Faktor in dieser Rechnung ist der sogenannte Bodenrichtwert. Er gibt den durchschnittlichen Grundstückswert in einer bestimmten Region einer Gemeinde an und wird von den lokalen Gutachterausschüssen veröffentlicht – und in einem Rhythmus von gewöhnlich zwei Jahren aktualisiert.

Die Gutachterausschüsse stützen sich bei ihrer Bewertung einerseits auf die archivierten Kaufpreissammlungen der jüngsten Grundstücksverkäufe in der Region, berücksichtigen andererseits jedoch auch den Entwicklungszustand, die Größe und zukünftige Nutzbarkeit des Grundstücks. Die Ergebnisse können in den Bodenrichtwerttabellen und/oder Bodenrichtwertkarten der Gemeinde nachgelesen werden.

Die Formel zur Berechnung des Bodenwerts ist auf dieser Basis recht simpel:
Grundstücksfläche x Bodenrichtwert je m2 = Bodenwert

Schritt 2: Ermittlung der Gebäudeherstellungskosten

Zur Ermittlung der Herstellungskosten werden, wie erwähnt, nicht die tatsächlichen, sondern die Regelherstellungskosten herangezogen. Diese müssen aus verschiedenen Tabellen und Listen speziell abgeleitet werden. So existieren beispielsweise gesonderte Kategorien für freistehende Ein- oder Zweifamilienhäuser, für Reihenhäuser oder Mehrfamilienhäuser. Allein aus dieser Unterscheidung ergeben sich bereits große Differenzen: Bei einem einfachen Reihenmittelhaus kann der Quadratmeterpreis bei moderaten 480 Euro liegen, bei einem Bungalow hingegen 1.770 Euro betragen.

In die Berechnung der Herstellungskosten fließen überdies Aspekte der Nutzbarkeit von Keller oder Dachboden sowie der Qualität von Außenwänden, Fenstern oder Bodenbelägen ein. Zusätzliche Tabellen existieren für besondere Ausstattungsmerkmale. Bereits an dieser Stelle dürfte deutlich werden, warum das Sachwertverfahren als recht kompliziert eingestuft wird.

Final führt die aufwendige Tabellen- und Listen-Extraktion zu der recht einfachen Formel:
Regelherstellungskosten je m2 x Bruttogrundfläche = Gebäudeherstellungskosten

Gut zu wissen: Zur Bruttogrundfläche zählen alle nutzbaren Flächen einer Immobilie. Hat Ihre Immobilie beispielsweise mehrere Etagen, einen Keller und einen Dachboden, so müssen Sie die Flächen aller dieser Ebenen zusammenzählen, um die Bruttogrundfläche Ihres Hauses zu erhalten.

Schritt 3: Berechnung des Gebäudesachwertes

Da die zu bewertende Immobilie nun ja nicht mehr taufrisch ist, sondern bereits einige Jährchen „auf dem Buckel“ hat, kommt nun der Faktor der sogenannten Alterswertminderung ins Spiel. Dazu vorab erst wieder eine Begriffserläuterung:

Der Gesetzgeber geht fiskalisch und auch in anderen Fällen davon aus, dass Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung stets 80 Jahre „halten“, sprich: dass sie eine Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren haben. Als „Restnutzungsdauer“ wird entsprechend die noch verbleibende Zeit verstanden, die sich ergibt, wenn Sie das Gebäudealter von 80 abziehen. Sehr pauschal beträgt die Alterswertminderung linear 1,25 Prozent pro Jahr – sie kann allerdings durch konkrete Modernisierungen abgeschwächt werden. Auch dafür, sie ahnen es vielleicht, gibt es eine Punkte-Liste in einem Bewertungsschema, das der Sachverständige anwenden kann.

Grundsätzlich gilt gleichwohl die Formel:
Gebäudeherstellungskosten – Alterswertminderung = Gebäudesachwert

Schritt 4: Berechnung des vorläufigen Sachwerts

Schritt 4 ist nach der Mühsal der vorherigen Berechnungen quasi ein Kinderspiel: Zur Berechnung des vorläufigen Sachwerts werden schlicht Gebäudesachwert und Bodenwert addiert.

Die adäquate Formel dazu:
Gebäudesachwert + Bodenwert = vorläufiger Sachwert

Schritt 5: Ermittlung des tatsächlichen Sachwerts

Bis zu diesem Punkt war es für den Ablauf und die Durchführung des Sachwertverfahrens prinzipiell völlig egal, ob Ihre Immobilie in einem 10.000-Seelen-Dorf in landwirtschaftlicher Umgebung steht oder ob sie mitten in München-Schwabing liegt. Das kann natürlich irgendwie nicht richtig sein. Deshalb wird der vorläufige Sachwert über das Vehikel der sogenannten Marktanpassungsfaktoren in einen finalen, also tatsächlichen Sachwert gewandelt. Der erste Faktor soll das Marktgeschehen spiegeln und wird erneut von den lokalen Gutachterausschüssen veröffentlicht. Er funktionier wie folgt:

• Bei hoher Nachfrage (in Städten und Metropolregionen) steigt auch der Sachwert – der Marktanpassungsfaktor ist daher größer als eins.

• Bei schwacher Nachfrage sinkt auch der Sachwert – der Marktanpassungsfaktor liegt in ländlichen und strukturschwachen Gebieten deshalb unter eins.

Der zweite Marktanpassungsfaktor berücksichtigt sogenannte „objektspezifische Grundstücksmerkmale“.
Dazu zählen beispielsweise:

Baumängel und Bauschäden,

wirtschaftliche Überalterung,

überdurchschnittlicher Erhaltungszustand.

Das endgültige Ergebnis liefert auf diese Weise die Formel:

Vorläufiger Sachwert x Marktanpassungsfaktoren = endgültiger Sachwert

Welche Vorteile bietet die Bewertung mit dem Schwertverfahren?

Das Sachwertverfahren bietet seinem Wesen nach einige Vorzüge:

• Fokus auf den Substanzwert: Da sich das Hauptaugenmerk auf die eigentliche Bausubstanz richtet, kann das Sachwertverfahren sehr gut eventuell vorgenommene Modernisierungen und/oder Sanierungen berücksichtigen und so vorteilhafte Ergebnisse für den Eigentümer erzielen.

• Gut geeignet für Einfamilienhäuser in ländlichen Regionen, kommunale Gebäude und außergewöhnliche Immobilien: Das Sachwerterfahren erfordert keine Vergleichswerte, die sich aus ähnlichen Immobilien ergeben würden, und kann daher problemlos bei allen „Solitär-Gebäuden“ angewandt werden – die entweder keine Nachbarschaft haben oder sich von ihrem Charakter her einer vergleichenden Betrachtung entziehen, wie beispielsweise Schulen, Bahnhöfe oder Denkmalschutzimmobilien.

• Orientierung an aktuellen Herstellungspreisen: Die Herstellungskosten der Bausubstanz werden auf Basis des aktuellen Preisniveaus angesetzt, so dass der Immobilienwert dem aktuellen Marktumfeld angepasst ist.

Welche Nachteile hat die Immobilienbewertung mit dem Sachwertverfahren?

Die grundsätzliche Herangehensweise des Sachwertverfahren hat hingegen auch ihre Schattenseiten:

• Sachverständigen vorbehalten: Das Sachwertverfahren kann aufgrund seiner Komplexität und der erforderlichen Anwendungskenntnisse nur von ausgewiesenen Experten korrekt durchgeführt werden.

• Vernachlässigung des Marktes: Seinem Charakter nach interessiert sich das Sachwertverfahren weder für die rund um die Immobilie herrschende Nachfrage noch für die aktuellen Immobilienverkaufspreise. Daran ändern auch die eher halbherzig in die Rechnung eingebrachten, abschließenden Marktanpassungsfaktoren nur marginal etwas. Das Sachwertverfahren eignet sich daher nicht zur Ermittlung des tatsächlichen Marktwerts einer Immobilie.

• Mangelnde Datenbasis: Für moderne Gebäude, wie beispielsweise Passivhäuser, liegen (noch) keine Daten zu den Regelherstellungskosten vor. Diese müssen daher jeweils geschätzt werden, was selbstredend große Differenzen im Ergebnis zur Folge haben kann.

Was ist das vereinfachte Sachwertverfahren?

Im Grundsatz ist das vereinfachte Sachwertverfahren ein Nebenprodukt der Grundsteuerreform, die ja eine Neubewertung aller Immobilien und Grundstücke in Deutschland erforderlich macht. Es wird vom Finanzamt für alle Grundstücke und Immobilien angewendet, die keine Mieteinnahmen erzielen und/oder für die sich keine ortsüblichen Vergleichsmieten heranziehen lassen. Das „vereinfacht“ bezieht sich vor allem auf die für gewöhnlich recht komplizierte Ermittlung der Herstellungskosten: Hier liefern nach Bautypus und Baujahr gestaffelte Tabellen einen entsprechenden Mittelwert, der anschließend mit dem maßgeblichen Baupreisindex des Baujahres multipliziert wird.

Was zeichnet das deutsche Sachwertverfahren im internationalen Vergleich aus?

Das in Deutschland angewandte Sachwertverfahren ist nicht nur, wie bereits erwähnt, in den §§ 21 bis 23 der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) präzise geregelt – es wird zudem über die Sachwertrichtline und Bestimmungen des Baugesetzbuches streng normiert. Das international gebräuchliche Verfahren der „Replacement Cost“ deckt sich im Wesentlichen mit der deutschen Anwendung, enthält jedoch weitaus weniger Vorgaben zur exakten Berechnung der Baukosten und der Restnutzungsdauer, also der sich daraus ergebenden Alterswertminderung. Auch beim Einsatz der finalen Marktanpassungsfaktoren existiert international ein nennenswert größerer Spielraum.

Das Sachwertverfahren ist Expertensache

Das Sachwertverfahren ermöglicht bei kompetenter und korrekter Anwendung eine objektive Einschätzung des Substanzwertes einer Immobilie. Es wird daher beispielsweise auch von den Gebäudeversicherern favorisiert. Die Wertermittlung ist jedoch recht kompliziert und lässt Sie als Laien schnell an Ihre Grenzen stoßen. Schon kleine Fehler bei der Berechnung können überdies zu starken Abweichungen beim finalen Ergebnis führen.

Die Durchführung dieses Verfahrens gehört daher eindeutig in fachkompetente Hände. Und: Das Sachwertverfahren hat seine Qualitäten, um Einzelimmobilien ohne Vergleichsbasis zu bewerten, es ist jedoch nicht die erste Wahl, um den Verkehrswert einer Immobilie für den Verkauf zu ermitteln. Dafür sind das Vergleichswertverfahren oder das Ertragswertverfahren besser geeignet.

FAQs

1. Was ist der Sachwert einer Immobilie?

Der Sachwert einer Immobilie ist im Grundsatz der rein materielle Wert der Bausubstanz. Er ergibt sich aus den Herstellungskosten des Gebäudes und dem Bodenwert des Grundstücks, geschmälert um die Altersabnutzung des Gebäudes. Über einen Marktanpassungsfaktor werden zudem die lokalen Marktbedingungen berücksichtigt.

2. Wann wird das Sachwertverfahren benutzt?

Das Sachwertverfahren wird immer dann angewandt, wenn es sich um Gebäude handelt, für die es, erstens, keine unmittelbaren Vergleichsobjekte gibt oder die, zweitens, nicht renditeorientiert sind. Das können folglich Einfamilienhäuser in ländlichen Regionen, Villen, denkmalgeschützte Immobilien oder auch Schulen, Kindergärten oder Bahnhöfe sein.

3. Was ist der Unterschied zwischen Sachwert und Ertragswert?

Der Sachwert gibt allein den materiellen Wert von Grundstück und Immobilie an, der Ertragswert berücksichtigt zudem, welche Gewinne durch Vermietung oder Verpachtung mit dem zu bewertenden Objekt erzielt werden können.

4. Sind Sachwert und Verkehrswert identisch?

Nein. Nur in den seltensten Fällen entspricht der Sachwert dem Verkehrswert einer Immobilie. Der Sachwert steht für den Wiederbeschaffungswert, der Verkehrswert hingegen für den möglichen Verkaufspreis, den Sie für Ihre Immobilie erzielen können. Er liegt in aller Regel über dem Sachwert.

Weitere Blogbeiträge: